Wahrhaftigkeit

Ein Zweites, das man im esoterischen Leben lernen muß, ist die Wahrhaftigkeit. Wer sie im physischen Leben nicht schon gelernt hat, wird große Mühe haben bei seinem Aufstieg in die geistige Welt, da er ja auch sein logisches Denken und alles, was an den Verstand gebunden ist, zurücklassen muß und in der gei- stigen Welt nicht korrigiert wird durch die Tatsachen wie hier in der physischen Welt. Die guten Götter haben gerade dadurch den Menschen erziehen wollen zur Wahrhaftigkeit, daß sie ihn versetzt haben in die physische Welt, wo eine jede Unwahrheit – d. h. alles, was nicht den Tatsachen entspricht – korrigiert wird durch die Tatsachen. Die Neigung zur Wahrhaftigkeit kann nur in der physischen Welt erworben werden, nicht erst in der geistigen Welt.

GA 266c – Seite 246

Man kann sehr verschiedene Beobachtungen auf diesem Gebiete machen. Es ist ein gewaltiger Unterschied in der Astralwelt, ob man einen Gedanken ausspricht, der wahr ist, oder einen erlogenen. Ein Gedanke bezieht sich auf irgendeine Sache und ist dadurch wahr, daß er mit der Sache übereinstimmt. Es trägt sich zum Beispiel irgendwo eine Tatsache zu, und von dieser geschieht eine Wirkung in die höheren Welten hinauf. Jemand erzählt diese Tatsache wahr: dann strahlt vom Erzähler ein Astralgebilde auf, das sich mit dem von der Tatsache selbst herrührenden Gebilde vereinigt, und beide verstärken sich. Diese verstärkten Formen dienen dazu, unsere geistige Welt immer geglie- derter und inhaltsvoller zu machen, wie wir sie brauchen, wenn die Menschheit vorwärtskommen will. Erzählt man die Tatsache nun aber so, daß sie nicht mit dem Geschehnis übereinstimmt, daß sie erlogen ist, dann trifft die Gedankenform des Erzählenden zusammen mit der, welche von der Tatsache ausgeht, beide prallen aufeinander und eine gegenseitige Zerstörung geschieht. Solche explosionsartigen Zerstörun- gen durch Lügen wirken, wie ein Geschwür am Leibe wirkt, das den Organismus zerstört. So töten Lügen die astralen Gebilde, die entstan- den sind und entstehen müssen, und hemmen oder töten so einen Teil der Entwickelung. Tatsächlich bringt ein jeder, der die Wahrheit sagt, die Entwickelung der Menschheit vorwärts, und der, welcher lügt, hemmt dieselbe. Daher gibt es ein okkultes Gesetz: Die Lüge ist, geistig angesehen, ein Mord. Sie tötet nicht nur ein Astralgebilde, sondern sie ist auch ein Selbstmord. Ein jeder, welcher lügt, legt sich selbst Hinder- nisse in den Weg. Überall sind solche Wirkungen in der geistigen Welt zu beobachten. So sieht auch der Hellseher, daß alles, was man denkt, fühlt und empfindet, seine Wirkungen auf dem Astralplan hat.
 

GA 99 – Seite 64

Von besonderer Bedeutung sind jene Wirkungen, die ausgeübt werden auf unseren physischen Leib durch alles dasjenige, was der Mensch in seiner Seele hat an Lüge, Verleumdung, Heuchelei. Der materialistische Sinn glaubt, daß Lüge, Verleumdung, Heuchelei etwas sind, was nur so schädlich wirkt, wie man es äußerlich beob- achten kann. Das ist nicht so, sondern ganz feine, allerdings für einen mikroskopischen Apparat nicht wahrnehmbare Wirkungen gehen bis auf den physischen Leib. Geht dann die Seele im Schlaf heraus, so bleiben die Wirkungen im physischen Leib drinnen, und die werden von den Wesenheiten vorgefunden. Und dabei kommen nicht nur in Betracht diejenigen Seelenerlebnisse, die man im Grob- sinnlichen als Lüge, Verleumdung, Heuchelei bezeichnet, sondern auch die feinen, konventionellen Lügen, zum Beispiel die, welche die Gesellschaftsordnung heute nötig macht. Lügen aus Höflichkeit oder Sitte und die ganze Skala, die angeführt werden kann von Unaufrichtigkeit und Heuchelei und kleinen Verleumdungen – selbst nur in Gedanken -, all das drückt sich aus in den Wirkungen auf den physischen Leib, und das wird vorgefunden von diesen herabrückenden Wesenheiten. Und dadurch, daß das drinnen ist in der Nacht im physischen Leibe, wird etwas besonderes bewirkt. Dadurch werden immer Stücke abgerissen von der Substanz dieser in den Leib sich hineinsenkenden Wesenheiten. Abschnüren müs- sen sich dadurch gewisse Teile der höheren Wesenheiten. Die Folge von Lüge und Heuchelei und Verleumdung am Tag ist die Ab- schnürung gewisser Wesenheiten in der Nacht, die dadurch eine gewisse Verwandtschaft haben zum physischen Menschenleib. Die- se Wesenheiten gewinnen dadurch ein selbständiges Dasein in der uns umgebenden geistigen Welt; es sind Wesenheiten, die wir rech- nen zur Klasse der Phantome. Phantome sind solche geistige We- senheiten, die also in ihrem Äußeren physiognomische Ausdrücke sind, in einer gewissen Weise Nachbildungen der menschlichen Leibesglieder und Gestalt. Sie sind von so dünner Materialität, daß das physische Auge sie nicht sehen kann, sie sind aber sozusagen von physischer Form. Da sieht der Hellseher durch die Luft schwirren Stücke von menschlichen Köpfen, menschlichen Hän- den, ganze Gestalten, ja das Innere von menschlichen Leibern sieht er herumschwirren, den Magen, das Herz, er sieht all die Phanto- me, die auf diese Weise sich losgeschnürt haben, daß der Mensch dasjenige seinem physischen Leib übergeben hat, was die Folge ist von Lüge, Heuchelei und Verleumdung. Solche Phantome, die fortwährend unseren geistigen Raum durchschwirren, werden Ihnen ein Beweis sein dafür, daß das Men- schenleben selbst die Ursache ist von Wesenheiten, die nun keines- wegs in besonders günstiger Weise auf den Menschen einwirken; denn sie haben in gewisser Beziehung intelligente Eigenschaften und keine moralische Verantwortlichkeit.

GA 98 – Seite 239f

Und wenn der Mensch Wohlgefallen oder auch nur Nachsicht hat gegenüber einer Lüge, die er begeht, nicht Abscheu hat, was das normale Gefühl gegenüber der Lüge ist, sondern in bezug auf das Lügen lässig ist oder sogar Wohlgefallen daran hat, so wird dasjenige, was Gefühlszu- satz ist gegenüber dem, was man lügt, hinuntergeschickt in das Unter- bewußtsein. Das, was hier in das Unterbewußtsein geht, das verdirbt die Blutzirkulation, die Atemverfassung und die Kräfte des Ätherleibes; und die Folge davon ist, daß der Mensch in bezug auf alles das, was ihm bleibt, wenn er durch die Pforte des Todes geht, sich durch dieses, was eben geschildert worden ist, verkümmert macht, daß er ärmer gewor- den ist an Kräften, daß etwas in ihm erstorben ist, was aufgelebt wäre, wenn der Mensch Abscheu, Ekelgefühl gehabt haben würde vor der Lüge, weil dies das normale Gefühl ihr gegenüber ist. Denn würde hinuntergetaucht sein das, was Abscheugefühle sind gegenüber der Lüge, so würde sich das übertragen haben auf die Kräfte, die hier verzeichnet sind, und der Mensch würde etwas Förderndes, etwas von den Entstehekräften in seinen Organismus hineingeschickt haben.
 

GA 143 – Seite 106f