Der Mensch nach dem Tod

Und damit ist noch etwas anderes verbunden. Es ist etwas schwierig, über diese Dinge zu sprechen, weil, wie gesagt, keine entsprechenden Erfahrungen hier in der physischen Welt vorhanden sind, aber man muß versuchen, diese Dinge auch zu charakterisieren, so wie sie eben sind. Wenn wir also im weiteren Fortleben nach dem Tode hinblicken auf unser Gestorbensein, dann haben wir vor allen Dingen den empfindungs-, vorstellungsmäßigen Eindruck, daß da, wo wir gestorben sind, nunmehr, nachdem wir gestorben sind, nichts ist, nicht einmal Raum. Es ist, wie gesagt, schwer zu beschreiben, aber es ist so: Nichts ist da. Und im äußeren Sinne gesprochen: Herrlich, erhaben erscheint die Sache aus dem Grunde, weil überall sonst uns eine neue Welt aufgeht. Es drängt sich die flutende Geistwelt von allen Seiten heran, aber nichts ist da, aus dem wir herausgestorben sind.So theoretisch beschrieben hat vielleicht die Sache etwas Grauenvolles, aber in der Empfindung nach dem Tode ist es nichts Grauenvolles. In der Empfindung nach dem Tode laßt es eine tiefe Befriedigung in die Seele quellen. Man lernt gleichsam sich ausdehnen in die ganze Welt und hinschauen auf etwas, was wie leer ist in der Welt. Und daraus entsteht die Empfindung: Das ist dein Platz in der Welt, der Platz, der aus allen den Weiten heraus ist, und der dein ist. – Und man bekommt die Empfindung, gerade aus dieser Leere, daß man einen Sinn hat für die ganze Welt, daß jedes einzelne Menschendasein – man bekommt es zunächst natürlich als Erklärung für sich selber – da sein muß. Dieser Platz würde immer leer sein, wenn ich nicht da wäre – so sagt sich jede Seele. Daß jeder, jeder als Mensch einen Platz zugeteilt hat im Weltenall, diese Empfindung, die unglaublich innerlich erwärmende Empfindung, die geht aus dieser Betrachtung hervor: daß die ganze Welt da ist, und daß diese ganze Welt herausgetrieben hat wie aus einer Symphonie die einzelne Note, die man ist, und die da sein muß, sonst wäre die Welt nicht da. Diese Empfindung, das ist diejenige, die aus der Rückschau auf das Todeserlebnis entsteht. Die bleibt, denn die gibt vorzugsweise das Ich-Bewußtsein, das Selbstbewußtsein zwischen dem Tod und einer neuen Geburt.
 
GA 168 – Seite 43 (Die Verbindung zwischen Lebenden und Toten)