Denken

Der Mensch ist das einzige wirklich denkende Wesen auf unserer Erde. Durch seine Gedanken erlebt der Mensch eine Welt, die ihn über diese Erde hinausführt. In der Form, in welcher sich im Menschen die Gedanken entzünden, erlebt kein anderes irdisches Wesen die Gedanken. Was entzündet in uns den Gedanken, was spielt sich in uns ab, wenn der einfachste oder herrlichste Gedanke uns durchzuckt? – Zweierlei wirkt in uns zusammen, wenn wir Gedanken durch unsere Seele ziehen lassen: unser Astralleib und unser Ich. Der physische Ausdruck für unser Ich ist das Blut; der physische Ausdruck für unseren Astralleib ist unser Nervensystem, das, was wir Leben nennen in unserem Nervensystem. Und niemals würden unsere Gedanken unsere Seele durchzucken, wenn nicht ein Zusammenwirken wäre zwischen Ich und Astralleib, welches seinen Ausdruck findet im Zusammenwirken zwischen Blut und Nervensystem. Sonderbar wird es einmal einer menschlichen Zukunftswissenschaft vorkommen, wenn die heutige Wissenschaft allein im Nervensystem die Entstehung des Gedankens sucht. Nicht in den Nerven allein ist der Ursprung des Gedankens. Nur in dem lebendigen Zusammenspiel zwischen Blut und Nervensystem haben wir den Vorgang zu erblicken, der den Gedanken entstehen lässt. Wenn unser Blut, unser inneres Feuer, und unser Nervensystem, unsere innere Luft, so zusammenwirken, dann durchzuckt der Gedanke die Seele. Und die Entstehung des Gedankens im Innern der Seele entspricht im Kosmos dem rollenden Donner. Wenn das Blitzesfeuer sich entzündet in den Luftmassen, wenn Feuer und Luft zusammenspielen und den Donner erzeugen, dann ist das in der großen Welt dasselbe makrokosmische Ereignis, dem entspricht der Vorgang, wenn das Feuer des Blutes und das Spiel des Nervensystems sich entladen im innern Donner, der allerdings sanft und ruhig und unvernehmbar für die Außenwelt erklingt im Gedanken. Was der Blitz in den Wolken, das ist für uns die Wärme unseres Blutes, und die Luft draußen mit allem, was sie an Elementen enthält im Universum, entspricht dem, was unser Nervensystem durchzieht. Und wie der Blitz im Widerspiel mit den Elementen den Donner erzeugt, so erzeugt das Widerspiel von Blut und Nerven den Gedanken, der die Seele durchzuckt. Wir schauen hinaus in die Welt, die uns umgibt: Wir sehen den zuckenden Blitz in den Gebilden der Luft und hören den sich entladenden, rollenden Donner. Und dann blicken wir in unsere Seele und spüren die innere Wärme, die in unserem Blute pulsiert und spüren das Leben, das unser Nervensystem durchzieht – dann fühlen wir den Gedanken uns durchzucken und sagen: Beides ist eins. Wahrhaft und wirklich ist es so! Denn in uns denken wir, und wenn der Donner am Himmel rollt, so ist das nicht nur eine physisch-materielle Erscheinung. Das ist es nur für die materialistische Mythologie. Für den aber, der die geistigen Wesen durchweben und durchwallen sieht das materielle Dasein, für den ist es Wahrheit und Wirklichkeit, wenn der Mensch hinaufschaut und den Blitz sieht und den Donner hört und sich sagt: Jetzt denkt der Gott im Feuer, wie er sich uns verkündigen muss. Das ist der unsichtbare Gott, der das Universum durchwebt und durchwallt, der seine Wärme in dem Blitz und seine Nerven in der Luft und seine Gedanken in dem rollenden Donner hat.

GA 109, Seite 97-98