Intellektualismus

Der Intellektualismus, er kann auch in folgender Weise von der Seele richtig erfasst werden. Wenn der Mensch des Morgens aufwacht, da dringen die Sinnesbilder auf ihn ein. Er merkt nur, dass wie ein feines Netz die Gedanken diese Sinnesbilder durchspinnen, und er lebt ja eigentlich in Bildern. Diese Bilder verschwinden sofort, wenn er des Abends einschläft. Auch sein Gedankenleben verschwindet da. Aber der Schein dieser Sinnesbilder, er ist doch wesentlich, denn was sich von ihm das Ich aneignet, das geht mit durch den Tod. Was von innen kommt, der Gedankeninhalt, der bleibt noch in Form einer kurzen Erinnerung, wie Sie wissen, wenige Tage nach dem Tode bestehen, solange der Mensch seinen Ätherleib trägt. Dann löst sich der Ätherleib in den Weiten des Kosmos auf. Das ist ein kurzes Erlebnis für den Menschen unmittelbar nach dem Tode, dass er seine Bilder, die den Sinnenschein enthalten, insofern ihn das Ich sich angeeignet hat, ich möchte sagen, mit starken Linien durchwebt fühlt von dem, was er sich nun durch sein Wissen angeeignet hat. Aber das legt er mit seinem Ätherleib wenige Tage nach seinem Tode ab. Dann lebt er sich mit seinen Bildern in den Kosmos hinein, und dann werden diese Bilder einverwoben in den Kosmos so, wie sie dem eigenen Wesen vor dem Tode einverwoben werden. Vor dem Tode gestalteten sich die Bilder in den Sinneswahrnehmungen nach innen. Sie werden von dem menschlichen Wesen, ich möchte sagen, insofern es durch seine Haut begrenzt ist, ergriffen. Nach dem Tode, nachdem die paar Tage vergangen sind, wo das Gedankenleben noch erlebt wird, weil man den Ätherleib hat, bevor sich dieser auflöst, nach diesen Tagen werden die Bilder in einer gewissen Weise größer. Sie vergrößern sich so, dass sie gewissermaßen nach außen nun so aufgenommen werden, wie sie während des Erdenlebens nach innen aufgenommen wurden. Man könnte schematisch den ganzen Vorgang so zeichnen: Wenn das des Menschen Leibesgrenze ist (siehe Zeichnung rechts, hell) und er im Wachzustande seine Eindrücke hat, dann bilden sich seine Innenerlebnisse von den Sinneseindrücken innerhalb seines Wesens. Nach dem Tode erlebt der Mensch seine Grenze wie ein umfassendes Gefühl; aber die Eindrücke, die wandern gewissermaßen aus ihm heraus. Er empfindet sie in seiner Umgebung (rot). So dass sich der Mensch, während er im Erdenleben sagt: Meine Seelenerlebnisse sind in mir -, sich nach dem Tode sagt: Meine Seelenerlebnisse sind vor mir, oder besser gesagt, um mich. – Sie verschmelzen mit der Umwelt. Sie werden dadurch auch innerlich anders. Sagen wir zum Beispiel, der Mensch habe sich, weil er ein Blumenliebhaber ist, besonders stark eingeprägt in immer wiederholten Sinneseindrücken eine Rose, eine rote Rose; dann wird er, wenn er nun nach dem Tode erlebt dieses Hinauswandern, die Rose größer sehen, bildhaft größer, aber sie wird ihm grünlich erscheinen. Also auch innerlich ändert sich das Bild. Alles das, was der Mensch in der grünen Natur wahrgenommen hat, insofern er wirklich mit menschlichem Anteil diese grüne Natur erlebt, nicht bloß mit abstrakten Gedanken, wird nun nach dem Tode für ihn zu einer rötlich sanften Umgebung seines ganzen Wesens. Aber es wandert das Innere nach außen: Der Mensch hat sozusagen das, was er sein Innen nennt, nach dem Tode in seiner Umgebung, außen. Diese Erkenntnisse, die also dem menschlichen Wesen angehören, insofern dieses wiederum der Welt selbst angehört, diese Erkenntnisse, wir können sie uns durch Geisteswissenschaft aneignen. Denn nur dadurch, dass wir uns diese Erkenntnisse aneignen, bekommen wir eine Vorstellung von dem, was wir eigentlich selber sind. Wir können nicht eine Vorstellung von dem bekommen, was wir eigentlich selber sind, wenn wir uns nur in dem Sinne kennen, wie der Mensch ist zwischen Geburt und Tod und in seiner Gedankenwebung von innen. Denn das sind die Dinge, die als solche nach dem Tode abfallen. Von dem Sinnenschein bleibt nur das, was ich Ihnen eben geschildert habe, und es bleibt so, wie ich es Ihnen geschildert habe.

GA 207, S. 161 f.