Intellektueller Schlagabtausch
Da müssen wir einfach durch…
Es ist seit Urzeiten in jeder Geisteskultur bekannt:
Je reifer ein Mensch wird, umso weniger diskutiert er. Die Diskussion, der Schlagabtausch entspricht meist einer pubertären Entwicklungsphase. Sie hat ihre Berechtigung, aber man muss sich eben bewußt sein, dass man in hitzigen Diskussionen ebenso blind ist, wie man schlau zu sein glaubt.
Intellektueller Schlagabtausch ist noch keine geistige Arbeit – geistige Arbeit fängt dort an, wo ein geistiges, lebenstragendes Fluidum als Frucht der Arbeit entsteht.
Und das geschieht eigentlich immer ganz in der Stille – fast unbemerkt, wie damals in Bethlehem.
Zum Thema «KRITIK»
Es ist auffällig, dass Kritik an der Anthroposophie häufig nur polemisch ist oder als Argument die Floskel «es ist heute wissenschaftlich allgemein anerkannt» enthält.
Wissenschaft ist aber immer nur der Gegenwärtige Stand des Irrtums:
Es irrt der Mensch so lang er strebt…
J. W. v. Goethe – Faust – Prolog im Himmel
Rudolf Steiner
«Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?»
GA 10
http://anthroposophie.byu.edu/schriften/010.pdf
Seite 5/6:
Unsere Zivilisation neigt mehr zur Kritik, zum Richten, zum Aburteilen und wenig zur Devotion, zur hingebungsvollen Verehrung. Unsere Kinder schon kritisieren viel mehr, als sie hingebungsvoll verehren. Aber jede Kritik, jedes richtende Urteil vertreiben ebensosehr die Kräfte der Seele zur höheren Erkenntnis, wie jede hingebungsvolle Ehrfurcht sie entwickelt. Damit soll gar nichts gegen unsere Zivilisation gesagt sein. Es handelt sich hier gar nicht darum, Kritik an dieser unserer Zivilisation zu üben. Gerade der Kritik, dem selbstbewussten menschlichen Urteil, dem «Prüfet alles und das Beste behaltet», verdanken wir die Größe unserer Kultur. Nimmermehr hätte der Mensch die Wissenschaft, die Industrie, den Verkehr, die Rechtsverhältnisse unserer Zeit erlangt, wenn er nicht überall Kritik geübt, überall den Maßstab seines Urteils angelegt hätte. Aber was wir dadurch an äußerer Kultur gewonnen haben, mussten wir mit einer entsprechenden Einbuße an höherer Erkenntnis, an spirituellem Leben bezahlen. Betont muss werden, dass es sich beim höheren Wissen nicht um Verehrung von Menschen, sondern um eine solche gegenüber Wahrheit und Erkenntnis handelt.
Seite 7
Damit muss der Geheimschüler beginnen, dass er die Devotion in sein Gedankenleben aufnimmt. Er muss auf die Gedanken der Unehrerbietung, der abfälligen Kritik in seinem Bewusstsein achten. Und er muss geradezu suchen, in sich Gedanken der Devotion zu pflegen.
Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? – GA 10
Seite 66
Und das erfordert vor allem, dass man in tiefster Seele wahr gegen sich selbst sei. Man darf sich in nichts über sich selbst täuschen. Man muss seinen eigenen Fehlern,
Schwächen und Untauglichkeiten mit innerer Wahrhaftigkeit ins Antlitz schauen. – In dem Augenblicke, wo du irgendeine deiner Schwächen vor dir selbst entschuldigst, hast du dir einen Stein hingelegt auf den Weg, der dich aufwärts führen soll. Solche Steine kannst du nur durch Selbstaufklärung über dich beseitigen. Es gibt nur einen Weg, seine Fehler und Schwächen abzulegen, und der ist: sie richtig zu erkennen.
http://anthroposophie.byu.edu/schriften/010.pdf