Eingeweihte
Es ist aus gewissen Gründen außerordentlich schwierig, der Welt gewisse Tatsachen über die geistigen Verhältnisse mitzuteilen. Die Menschen sind nicht vorbereitet genug, sie haben in sich nicht die Begriffe, um in entsprechender Art solche Mitteilungen aus der geistigen Welt entgegenzunehmen, und leicht werden solche Mitteilungen in das Gegenteil verkehrt. So kommt es, daß gerade in der Gegenwart der in die geistige Welt Eingeweihte über die wichtigsten Dinge in vieler Beziehung schweigen muß. Man kann nicht einmal sagen, was geschehen würde, wenn über die wichtigsten Dinge einer völlig unreifen Menschheit gegenüber dieses oder jenes gesagt würde. Aber ein Fall, der sehr häufig vorkommt, ist der folgende: Verhandelt werden muß immer nach gewissen Weltgesetzen über die spirituellen Dinge. Wenn nun mit den Lebenden schlecht zu verhandeln ist, wie in der Gegenwart, so ist sehr häufig die Verhandlung mit den Toten eine um so regere, eine um so intensivere. Und man kann sagen: vielleicht war in wenigen Zeiten das Zusammenwirken, das bewußte Zusammenwirken des physischen Planes mit der geistigen Welt, in welche die Verstorbenen versetzt sind, ein so reges, wie es in der Gegenwart sein kann. Aber nehmen wir an, irgendwo findet eine Verhandlung statt, die nur sein kann zwischen einem Wissenden auf dem physischen Plan und einem Verstorbenen. Dann kann gewissermaßen eine transzendente Indiskretion geschehen. Es können zwei Fälle eintreten. Nicht nur hier auf dem physischen Plane gibt es Horcher, die durch Schlüssellöcher horchen, sondern auch unter den Wesen der geistigen Welt gibt es Horcher, die Geister niederer Art sind, die aber eigentlich immer darauf aus sind, allerlei spirituelle Tatsachen dadurch zu erfahren, daß sie horchen, daß sie namentlich das auffangen, was zwischen Wesen des physischen Planes und der geistigen Welt gesprochen wird. Da kann dann der eine Fall eintreten: Wenn ein Mensch besonders leidenschaftlich ist, von seinen Leidenschaften besonders ergriffen wird, so daß man von ihm sagt: er ist außer sich –, was ja durch Leidenschaft öfter vorkommt, oder wenn er betrunken ist, richtig physisch betrunken ist, oder wenn er in einem Ohnmachts- oder dergleichen Zustande ist, dann können solche Geister die Gelegenheit benutzen und über ihn kommen; und was sie ihm dann einimpfen, das kann ihm in Form einer Vision gleichzeitig oder später auftreten, und er kann dadurch allerlei erlauschen, was er nicht hören sollte. Wer Sinn und Beobachtungsgabe für so etwas hat, der weiß, daß heute in allen möglichen Büchern unserer Literatur Unzähliges geschrieben wird, Unzähliges vorhanden ist, insbesondere in mancher höchst zweifelhaften Literatur, was auf allerlei verkehrte Art durch Indiskretion aus dem geistigen Verkehr her stammend ist. Es kann nichts Wirksameres geben, als wenn irgendein Kobold den Schreiber eines Detektivromans, wenn er gerade betrunken ist, von sich besessen macht, in seine Menschlichkeit hineingeht, ihm irgendeinen Satz eingibt, so daß er diesen Satz in seinem Detektivroman unterbringt. Dieser Roman gelangt dann zu den Menschen, und jener Satz kann dann ganz besonders in den Menschenseelen wirken, kann insbesondere dadurch wirksam werden, weil er durch die Art, wie die Menschen solche Dinge aufnehmen, nicht das volle Bewußtsein ansprechend ist, sondern an sich schon etwas zum Unterbewußtsein Sprechendes ist. Das andere, was geschehen kann, ist, daß in irgendwelchen spiritistischen Sitzungen durch dieses oder jenes Medium das eine oder das andere geschildert wird, und dann mischt sich in das, was durch das Medium zutage tritt, die Kundgebung eines solchen Geistes hinein, der da seine Indiskretion unterbringen will.
GA 176 – Seite 304f