MENSCHWERDUNG IM PLAN DER GÖTTER
Das Geheimnis des Bösen
Indem ich so gefragt habe und so gesprochen habe über das Mysterium des Todes, das heißt über die Kräfte, die im Weltenall wirksam sind als den Menschen den Tod bringende Kräfte, kann ich auch in einer gleichen methodischen Weise hindeuten auf die Kräfte des Bösen. Auch diese Kräfte des Bösen, sie sind nicht solche, von denen man sagen kann, sie bewirken innerhalb der menschlichen Ordnung die bösen Handlungen. Das ist wiederum nur eine Nebenwirkung. Wenn es die Kräfte des Todes nicht gäbe im Weltenall, so würde der Mensch die Bewußtseinsseele nicht entwickeln können, er würde nicht entgegennehmen können in seiner weiteren Erdenentwickelung, so wie er sie entgegennehmen soll, die Kräfte des Geistselbstes, des Lebensgeistes und des Geistesmenschen. Der Mensch muß durch die Bewußtseinsseele gehen, wenn er in seiner Art die Kräfte des Geistselbstes, des Lebensgeistes, des Geistesmenschen aufnehmen will. Dazu muß er die Kräfte des Todes im Laufe des fünften nachatlantischen Zeitraums, also bis in die Mitte des vierten Jahrtausends hinein, vollständig mit seinem eigenen Wesen verbinden. Das kann er. Aber er kann [noch] nicht in der gleichen Weise die Kräfte des Bösen mit seinem eigenen Wesen verbinden. Die Kräfte des Bösen sind im Weltenall, im Kosmos so geartet, daß der Mensch sie in seiner Entwickelung erst während der Jupiterperiode so aufnehmen kann, wie er jetzt die Kräfte des Todes aufnimmt [siehe Zeichnung]. Man kann also sagen: Mit einer geringeren Intensität, bloß einen Teil seines Wesens ergreifend, wirken die Kräfte des Bösen auf den Menschen. – Will man eindringen in das Wesen dieser Kräfte des Bösen, dann darf man nicht auf die äußeren Folgen dieser Kräfte sehen, sondern dann muß man das Wesen des Bösen da aufsuchen, wo es in seiner eigenen Wesenheit vorhanden ist, wo es so wirkt, wie es wirken muß, weil die Kräfte, die als das Böse im Weltenall figurieren, auch in den Menschen hereinspielen. Und da beginnt eben das, was man nur mit einer tiefen Bewegung sagen kann, was man nur sagen kann, wenn man zugleich die Voraussetzung erhebt, daß diese Dinge wirklich mit dem allertiefsten Ernste aufgenommen werden. Wenn man das Böse im Menschen suchen will, so muß man es suchen nicht in den bösen Handlungen, die innerhalb der menschlichen Gesellschaft vollzogen werden, sondern man muß es suchen in den bösen Neigungen, in den Neigungen zum Bösen. Man muß zunächst ganz abstrahieren, ganz absehen von den Folgen dieser Neigungen, die bei dem einen Menschen mehr oder weniger eintreten, man muß den Blick hinrichten auf die bösen Neigungen. Und dann kann man fragen: Bei welchen Menschen wirken die bösen Neigungen innerhalb der fünften nachatlantischen Periode, in der wir drinnen stehen, jene Neigungen, die, wenn sie in ihrer Nebenwirkung zum Ausdrucke kommen, eben in den bösen Handlungen so anschaulich sich darleben, bei welchen Menschen wirken die bösen Neigungen?
Ja, die Antwort darauf bekommt man, wenn man versucht, über die sogenannte Schwelle des Hüters zu gehen und das menschliche Wesen wirklich kennenzulernen. Da ergibt sich die Antwort auf diese Frage. Und die Antwort lautet: Bei allen Menschen liegen im Unterbewußtsein seit dem Beginne der fünften nachatlantischen Periode die bösen Neigungen, die Neigungen zum Bösen. – Ja, gerade darinnen besteht das Eintreten des Menschen in die fünfte nachatlantische Periode, in die neuzeitliche Kulturperiode, daß er in sich aufnimmt die Neigungen zum Bösen. Radikal, aber sehr richtig gesprochen, kann folgendes zum Ausdrucke gebracht werden: Derjenige, der die Schwelle zur geistigen Welt überschreitet, der macht die folgende Erfahrung: Es gibt kein Verbrechen in der Welt, zu dem nicht jeder Mensch in seinem Unterbewußtsein, insofern er ein Angehöriger der fünften nachatlantischen Periode ist, die Neigung hat. Die Neigung hat; ob in dem einen oder in dem anderen Fall die Neigung zum Bösen äußerlich zu einer bösen Handlung führt, das hängt von ganz anderen Verhältnissen ab als von dieser Neigung. Sie sehen, bequeme Wahrheiten hat man nicht zu sagen, wenn man heute eben ungeschminkt der Menschheit die Wahrheit sagen muß.
Um so mehr taucht dann die Frage auf: Ja, was wollen diese Kräfte, die im Menschen die bösen Neigungen bewirken, was wollen diese Kräfte denn eigentlich im Weltenall, indem sie zunächst in die menschliche Wesenheit hineinträufeln, indem sie in die menschliche Wesenheit hineinfließen? Was wollen diese Kräfte? – Sie sind wahrhaftig im Weltenall nicht dazu da, um böse Handlungen in der menschlichen Gesellschaft herbeizuführen. Diese führen jene Kräfte aus solchen Gründen herbei, die wir noch besprechen wollen. Sie sind, ebensowenig wie die Kräfte des Todes dazu da sind, den Menschen nur sterben zu machen, im Weltenall nicht vorhanden, diese Kräfte des Bösen, um den Menschen zu verbrecherischen Handlungen zu führen, sondern sie sind im Weltenall dazu vorhanden, um, wenn der Mensch aufgerufen ist zur Bewußtseinsseele, in ihm die Neigung hervorzurufen, das geistige Leben so zu empfangen, wie wir es gestern zum Beispiel und schon das vorige Mal charakterisiert haben.
Im Weltenall walten diese Kräfte des Bösen. Der Mensch muß sie aufnehmen. Indem er sie aufnimmt, pflanzt er in sich den Keim, das spirituelle Leben überhaupt mit der Bewußtseinsseele zu erleben. Sie sind also wahrhaftig nicht da, diese Kräfte, die durch die menschliche soziale Ordnung verkehrt werden, sie sind wahrhaftig nicht da, um böse Handlungen hervorzurufen, sondern sie sind gerade dazu da, damit der Mensch auf der Stufe der Bewußtseinsseele zum geistigen Leben durchbrechen kann. Würde der Mensch nicht aufnehmen jene Neigungen zum Bösen, von denen ich eben gesprochen habe, so würde der Mensch nicht dazu kommen, aus seiner Bewußtseinsseele heraus den Impuls zu haben, den Geist, der von jetzt ab befruchten muß alles übrige Kulturelle, wenn es nicht tot sein will, den Geist aus dem Weltenall entgegenzunehmen. Und wir tun am besten, wenn wir zunächst einmal hinsehen auf das, was werden soll aus jenen Kräften, die uns in ihrer Karikatur entgegentreten in den bösen Handlungen der Menschen; wenn wir uns fragen, was unter dem Einfluß dieser Kräfte, die zu gleicher Zeit die Kräfte für die bösen Neigungen sind, in der Entwickelung der Menschheit geschehen soll.“
GA 185 S. 109-111