Für Menschen soll Anthroposophie da sein, die in ihrer Seele die Wege zum geistigen Erleben suchen. Und wenn die Anthroposophische Gesellschaft ihre Aufgabe erfüllen will, dann muß sie den suchenden Seelen dienen können. Sie muß als Gesellschaft selbst das rechte Verhältnis zur Anthroposophie finden.
Wir dürfen nicht uns mit dem Flitter der Geheimnistuerei umgeben. Die Gegenwart verträgt solchen Flitter nicht. Sie will wirken in voller Öffentlichkeit. Das «Geheimnis» liegt nicht in der Geheimnistuerei, sondern in dem innerlichen Ernste, mit dem in jedem Herzen Anthroposophie neu erlebt werden muß. Sie kann nicht auf äußerliche Art übertragen werden. Sie kann nur in innerem Erleben von der Seele erfaßt werden. Dadurch wird sie zum «Geheimnis», das jedesmal im Verständnis neu entsiegelt werden muß. Begreift man diese Art von «Geheimnis», so wird man auch die rechte «esoterische» Gesinnung in seiner Seele tragen.
Wenn in jeder Gruppe der Anthroposophischen Gesellschaft diese Gesinnung lebt, dann wird der Geist der Anthroposophie auch hinauswirken dahin, wo es unsere Pflicht ist, vor die Welt Anthroposophie hinzutragen. Anthroposophie kann deshalb ihre Wege auch nicht durch ein gewöhnliches Agitieren finden, wenn dieses auch mit gutem Willen getrieben wird. Agitation tötet die wahre Anthroposophie. Diese muß auftreten, weil sie vom Geiste zu ihrem Auftreten geführt wird. Sie muß ihr Leben erweisen, weil alles Leben nur im Dasein sich offenbaren kann. Aber sie darf mit ihrem Dasein niemanden bedrängen. Sie muß warten, ob jemand kommt, der sie aufnehmen will. Einen Zwang auch nur durch Überredung gegenüber den Menschen darf sie nicht kennen. Man darf gerade auf dem Boden der Anthroposophie nicht glauben, daß wirksam nur das sein kann, dem man die Wirksamkeit künstlich aufprägt. Was aus dem Wesen seines eigenen Geistes heraus lebt, das kann warten, bis die Welt seine Wirksamkeit aufnehmen will.
GA 260a, Seite 41ff